BUND DER ANGESTAMMTEN DEUTSCHSPRACHIGEN MINDERHEITEN IN DER SCHWEIZKanton Bern Zweisprachigkeit des Kantons Bern: eine Initiative des Regierungsrates
In der letzten Nummer stellten wir kurz den Bericht der kantonalen Expertenkommission über die Zweisprachigkeit vor und machten uns dazu schon einmal unsere Gedanken. Der Beitrag mit dem Titel Deutsch und Welsch im Kanton Bern ist jetzt hier abrufbar.
DIE ZWEISPRACHIGKEIT IM BERNER JURA UND AM JURAFUSS
IM 19. JAHRHUNDERT UND HEUTE
von R. Wyß
Es ist damit zu rechnen, dass schon im Mittelalter die Bevölkerung des späteren Berner Juras ein germanisches Element aufwies. Auf jedem Fall war Deutsch die Sprache des Fürstbischofs von Basel und seiner Verwaltung. Die Dörfer haben deshalb auch deutsche Namen, oft ist die deutsche Version sogar früher überliefert als die französische. 1712 fanden Täufer (Mennoniten), die von Ludwig XIV. aus dem Elsass ausgewiesen worden war, im Erzbistum Basel Zuflucht. Sie siedelten sich auf dem jurassischen Plateau an und machten das Land überhaupt erst für die Landwirtschaft nutzbar. Auch aus dem Emmental wanderten mennonitische Bauern aus; 1815 kamen sie wieder unter bernische Herrschaft.
Immerhin wurden sie von 1820 an vom Staat geduldet. Im Hungerjahr 1816 und in den folgenden Jahrzehnten wanderten wiederum viele Bauern in den Jura ein; meistens übernahmen sie Höfe von Leuten, die in die Uhrenindustrie in den Tälern abgewandert waren. Dazu kamen auch Uhrenarbeiter und Mechaniker aus der deutschen Schweiz, die in den Unternehmen Arbeit fanden, die sich in den südjurassischen Dörfern ansiedelten. Biel wurde ein bedeutendes Zentrum der Uhrenindustrie und zog viele französischsprachige Jurassier an.
Um die deutschsprachige Minderheit begann sich die reformierte Landeskirche des Kantons Bern zu kümmern. Bereits 1816 wurde eine deutsch-reformierte Pfarrei in Pruntrut gegründet; der Pfarrer predigte auch in Delsberg. In den Amtsbezirken Courtelary und Münster kamen bald weitere deutschsprachige Kirchgemeinden dazu, und so wurde die Landeskirche zu einer wesentlichen Stütze der Deutschberner. Es wurden auch eine Reihe staatlicher und privater Schulen gegründet. Der Grund dafür war jedoch nicht ein Drang zur „Germanisierung“ des Juras, sondern die pragmatische Einsicht, dass die Kinder dem französischen Unterricht nicht hätten folgen können, weil in ihrem Umfeld kein Französisch gesprochen wurde. Um 1830 wohnten in den Amtsbezirken Courtelary und Moutier (Münster) 2500 deutschsprachige Reformierte, und ihre Zahl sollte noch zunehmen. 440 Kinder besuchten deutschsprachige Schulen. Es war die Zeit, als der allgemeine Schulunterricht durchgesetzt wurde, und das Angebot wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts noch ausgeweitet. Allerdings kamen die deutschen Schulen in den Dörfern seit 1864 unter Druck und gingen ein oder wurden in französische umgewandelt. Die Gründe: geringe Unterstützung durch die Behörden, deshalb prekäre Finanzlage, ungenügende Lokale, schlechte Löhne. Die Ortsbehörden besoldeten die Lehrerer in den französischen Schulen bis zu viermal besser. Der Verlust der eigenen Schulen wurde dadurch etwas abgefedert, dass an der Oberschule vier bis fünf Stunden Deutsch unterrichtet wurde. Immerhin waren deutsche Gesangsvereine gegründet worden, “in denen auch schon halb und fast ganz verwelschte Nachkommen mitmachen können und da noch eine Ahnung davon bekommen, was sie ihren Vorfahren verdanken. Nur die Schulen der Täufer konnten sich dank ihrem opferfreudigen Einsatz halten.“ Noch lange blieben jedoch die deutschen Kirchgemeinden eine Stütze der sprachlichen Minderheit im Berner Jura.
Die Sprachgruppen wurden durch Wanderungsbewegungen im Laufe der wirtschaftliche Entwicklung im damaligen Berner Jura und im Amtsbezirk Biel stark durchmischt. Die Volkszählung von 1888 weist für die Amtsbezirke Delsberg, Münster und Courtelary einen Drittel Deutschsprachige aus. Im Amtsbezirk Biel erreichte der welsche Anteil 1888 22,1%; er stieg bis 1919 auf 34,6%. Während im Berner Jura die deutschsprachige Minderheit durch Assimilation langsam abnahm, behielten die Welschberner in Biel ihre Sprache und konnten diese dank öffentlichen französischen Schulen und einem zunehmenden Gebrauch des Französischen als Amtssprache stützen. Immerhin: Trotz der kantonalen Assimilationspolitik zugunsten des Französischen gab in der Volkszählung 1960 immerhin noch ein Fünftel, im Amtsbezirk Neuenstadt sogar ein Viertel der Bevölkerung Deutsch als Muttersprache an. Seither ist ein weiterer Rückgang zu verzeichnen. Dieser ist zurückzuführen einerseits auf den Wegzug von Deutschschweizern wegen der politischen Spannungen und der zunehmenden Feindlichkeit gegenüber Deutschschweizern sowie auf Abwanderung wegen der Krise in der Uhrenindustrie seit 1975, anderseits auf fortgesetzte Assimilation der Kinder und deren Familien durch die Schule. Auch die Regionalzentren mit ihren Arbeitsplätzen und die Vereine spielen eine Rolle.
Die Volkszählungen von 1990 und 2000 weisen einen starken Rückgang der Deutschsprachigen im Verwaltungskreis Berner Jura aus. Allerdings wurde nicht mehr nach der Muttersprache, sondern nach der Hauptsprache gefragt, wodurch die Zahlen mit jenen früherer Volkszählungen nicht mehr direkt vergleichbar sind. (Dasselbe gilt in noch verstärktem Maße für die Sprachen in Graubünden, s. die Beiträge dazu in 1/2018 und 2/2018.) In Biel anderseits hat der Anteil der Deutschsprachigen seit dem Jahre 2000 stark abgenommen und beträgt noch 54%; das ist vorwiegend auf Zuwanderung zurückzuführen. 39% sprechen Französisch als Hauptsprache, 9% Italienisch.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/2827-schelten-unterwegs-in-der-noerdlichsten-gemeinde-des-kantons-bernhttps://www.swissinfo.ch/ger/jura-feier-mit- misstoenen/
4113132?_CSRFToken=ee4ddd9086e944ced786bda36df3050fAeberhard Ad., Werden und 100 Jahre Bestehen der Deutschen Kirchgemeinde St. Immertal. Steffisburg und Bern 1943, S. 8